Dienstag, 12. Juli 2011

Harry Potter & die Heiligtümer des Todes Teil 2 - Ein unmusikalischer Brei



Kino ist in erster Linie eine Angelegenheit der Emotionen, und wie erstaunlich ist es, wie gefangenes Licht, das Licht eines gespielten und manipulierten Spiels aus der Vergangenheit, unsere Emotionen der Gegenwart, der ständigen Jetztzeit, selbst manipulieren kann. Darum ist Kino auch eine Angelegenheit der Teilhabe, zwar nicht in der direkten Kommunikation mit den Agierenden aus Photonen, sondern in der Fähigkeit von der Abstraktion von Bildsymbolen und Abbildungen von divergierenden Darstellungen von Wirklichkeiten, hin zur Dechiffrierung in eine emotionale Stimme die uns direkt und verständlich anspricht, ganz als seien wir Teil und nicht – meist – Fremdgenießer der Aufführung. Dass im besten Fall dabei die Stimme der Emotion als auch die der emotionalen Intelligenz gleichermaßen beteiligt sind, versteht sich von selbst. Je überzeugender das Spiel in der Vergangenheit aufgenommen wurde, desto willfähriger überlassen wir uns der Manipulation und nehmen Teil und Anteil am geschehen. Die Meister der Manipulation nennen wir Regisseure, und neben ihren Legionen an Mitarbeitern, ihre sichtbaren Diener, Schauspieler und wir selbst nennen uns Zuschauer, obschon wir gar nichts zum Zuschauen haben, nur das Licht einer Vergangenheit auf unsere Wahrnehmungsorgane treffen lassen, die uns nie zuvor betroffen hat, uns nie zuvor persönlich hat teilnehmen lassen, und doch werden wir durch diesen kleinen Trick mit der Zeit und dem Licht Teil einer Geschichte, eines Abenteuers, eines Experimentes bei dem wir erst durch diesen Trick dabei sind. Je meisterhafter dieser Trick ausgeführt wird desto tiefer kann man Teil einer Geschichte werden. Je besser die Regie, das Drehbuch, die Dialoge und die Wortwahl, je besser die Bauten, Kostüme, die Kamera und die Ausleuchtung, je wahrhaftiger die Darsteller, je verständiger und tiefer die Musik, desto tiefer können wir Anteil nehmen am Geschehen und uns zeitweilig sogar, selbst im Geschehen wieder finden. Das macht den Zauber des Kinos aus, das ist die Magie von Zusammenarbeit von Schöpfern und von Genießern dieser Kunst, denn auch der Zuschauer trägt zum Spiel bei, nachträglich, sozusagen weiht er das Spiel mit der ganzen Art und Weise seiner Anteilnahme am immer unveränderlichen Spiel auf der Leinwand. Und ganz nach seinen eigenen Fähigkeiten und Situationen wird das auch das immer unveränderliche auf der Leinwand, mal so, mal anders wahrgenommen. Auch das macht den Zauber des Kinos, aber auch jeder anderen unveränderlichen Kunst aus: das man sich selbst als letzten Beteiligten an der Schöpfung eines Filmes oder jedes anderen Kunstwerkes begreift. Ohne den Sehenden bleibt die Leinwand dunkel, ohne den Hörenden ertönt keine Musik und ohne waches Herz, bleibt jede Geschichte fade oder um ein Potter-Zitat anzubringen: „… bleibt das Glas leer!“

Und wirklich genauso ist es, das Glas ist nicht halb voll, nicht halb leer, es ist leer. Mit dem programmatischen Es Endet Alles! versucht Warner Bros. auf den Zug einer Verliebtheit in neo-romantische Endzeitstimmungen aufzuspringen, also endet Potter mit Potter 7.b zwar dementsprechend aufgesetzt, aber das ist nur Werbeschminke und hat kein Gehalt und ist im großem und ganzen der schlimmste Film der Reihe. Meister der Manipulation, ob sie nun Tarkovski, Kubrick, Kurosawa oder Cronenberg heißen würden sich schämen so etwas als fertigen Film abzuliefern. Meister der Töne, wie Bernhard Herrmann, Jerry Goldsmith oder Howard Shore würden sich schämen dazu einen solchen Score zu verfassen wie in Alexandre Desplat verfasst hat – eine Beleidigung für das hörende Ohr, wenn den welche da sind um das zu hören. Den meisten wird es wohl gleich sein was für ein unsinnige und quälende Musik im ganzen Finallärm aus den Lautsprechern quillt: eine süßliche, richtungslose Nichtigkeit, die nur eine Geräuschquelle mehr auf der Tonspur ist, die so identitätslos ist das sie in jedem beliebigen zeitgenössischen Jugend-Fantasy-Abenteuer erklingen könnte – da helfen auch Williams-Zitate aus den ersten Filmen nicht: das hier ist keine Potter-Musik, das ist Dutzendware.

David Yates, auch hier Regisseur, hat mit seinem „Halbblutprinzen“, tatsächlich partiell Leinwandkunst versucht und geschaffen, auch wenn dazu den Produzenten nach gar kein Anlass bestand, schließlich wollte man ja nur Unterhaltung schaffen, das gleiche versuchte er auch – weniger Erfolgreich, aber sichtbar – beim ersten Teil der Heiligtümer. Hier nun, im Finale, haben ihn Warner Bros. und die anhängenden Produzenten, inklusive Originalautorin J.K. Rowling selbst, diese Flausen ausgetrieben oder zumindest in der letzten gültigen Schnittfassung jeden Ansatz dazu – und zum erzählen – herausgenommen. Was tatsächlich gedreht wurde bleibt wohl verborgen – was zu sehen ist, ist eine ungemütliche Achterbahnfahrt durch etwa die zweite Hälfte des Romans, die unverständiger nicht zusammengeklebt hätte werden können.

Wenn man dann, nach der Pressevorstellung, so die Vorstellungen des einen oder anderen Kollegen hört, dann graust es einen vor deren Weltwahrnehmung und Urteils-, also auch Teilnahmefähigkeit. Lobhudelei wird bezahlt, ob sich auch der Betrug an der eigenen Sache bezahlt macht? Nach zehn Jahren Harry Potter, in Buch, in Hörbuch und in Filmfassung, bleibt so ein unwürdiges Spektakel das denkbar schlechteste Vermächtnis der insgesamt großartig konzipierten Geschichte. Für mich ist damit Rufus Beck die Potter-Stimme schlechthin. Seine Interpretation in der Lesung der Originalromane, ist das, was mich im deutschsprachigen zu Potter gebracht hat und bleiben lässt. Die nicht immer wirklich gut geschriebenen Romane hebt er durch seinen Stimmenzauber auf ein Niveau, das sie ohne ihn nicht haben und die Filme nie hatten. Das dennoch so ab und wann im filmischen Potteruniversum so etwas wie Magie auftauchte waren dann eher Unfälle und ansonsten den oft mitreißenden Großteil der Schauspieler zu verdanken. Ihnen ist es nicht anzurechnen, das sie im Finale von einer Szene zur anderen Stolpern und dabei jeden hoffenden Zuschauer immer mehr hinter sich lassen. Am Ende bleibt nur wieder die Erkenntnis: das man Produzenten und andere Geschäftsleute manchmal zum Teufel jagen sollte, denn das hier hat keiner Verantwortet der was vom Filmemachen als Geschichtenerzählen versteht. Da entsteht nicht wenig Zorn, nicht wenig Enttäuschung, also sagt man sich eben, ist doch nur ein Film. Alles okay, ist nur ein Film. Was stimmt. Aber besser fühlt man sich nach dem Vorhang trotzdem nicht. Und wenn auch nur ein Teil unseres Eingangsgedanken zutrifft, dann haben die Schöpfer dieser Lichtwirklichkeit im großen Maßstab versagt, denn Teilhabe am Chaos, am undisziplinierten Chaos kann nicht aus dem Wunsch nach einer insgesamt linear fortschreitenden Erzählung entstehen, die nacheinander diverse Stationen einer epischen Tragödie abarbeitet, um sich dann, nach vielen Prüfungen zu Wandeln und letztendlich in einem Wohlgefallen wieder zu finden, mit dem alle Beteiligten auf und vor der Leinwand zufrieden sein können – ganz wie es die Romanvorlagen zeigen. Also gilt hier wie auch sonst: der Film ist nicht das Buch und beide sind nicht das Hörbuch. So bleibt letztendlich nur Rufus Beck mit seiner brillanten Sprachgestaltung, der uns Potter auch noch in Generationen nahe bringen wird, lange nachdem die Filme längst nur noch als historische Artefakte einer verwirrten Bildersprache gelten. Und abschließend: das dieser Film in 3D gedreht wurde, nun, es war einfach nur ungemütlich die Potter-Nachempfundene Brille zu tragen, aber einen 3D-Film habe ich dadurch auch nicht gesehen. Die paar Effekte die dadurch hervorgehoben wurden, waren eben nichts anderes als Effekte, der Erzählung haben sie nicht gedient, auch nicht einer herausragenden Optik. Noch etwas will ich an dieser Stelle und abschließend sagen: das man den Komponisten Nicholas Hooper, der nach den John Williams-Originalen, mit dem „Halbblutprinzen“ den besten Potter-Score geschrieben hat, zugunsten des gehypten Alexandre Desplat ausgetauscht hat, hat sich als böser Fehler erwiesen. Es bleibt dabei: David Yates „Halbblutprinz“ bleibt in vielerlei Hinsicht der beste Potter-Film und kein noch so laut angepriesenes 3D-Finale des Finals ändert was daran. Alles war nicht in Ordnung!

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